Auch wenn es viele noch nicht wahr haben wollen, wir befinden uns schon etwas länger im 21. Jahrhundert. Nicht nur im Job, im Auto oder beim Einkaufen ist die Digitalisierung nicht mehr wegzudenken, sondern auch in der Welt unser aller Lieblingsinstrumente ist das Thema präsent wie nie zu vor. Ihr habt kein Geld für einen originalen Marshall JCM 800, Modell 2203? Na, dann ladet euch doch einfach das digitale Modell auf euren favorisierten Amp-Modeller. Ihr habt keinen Amp-Modeller? Dann nehmt doch ein Plugin für den PC oder Mac.

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Meines Erachtens war es noch nie einfacher, sich eine ordentliche Sammlung an verschieden Amps anzulegen, ohne die Drei-Zimmer-Wohnung zu einem BTM-Außenlager mutieren zu lassen. Und noch nie war es einfacher, einen brauchbaren Gitarrensound in die DAW zu bekommen, den man auf Wunsch auch noch beliebig nachbearbeiten kann. Das alles geht dank neuester Technologie und digitaler Plugins für den schmalen Taler (zum Teil sogar umsonst).

Was aus der Studiowelt nicht mehr wegzudenken ist, hält nun auch Einzug im Proberaum oder auf der Bühne. Ich, für meinen Teil, träume schon lange davon, nur noch mit Laptop und Gitarre bewaffnet, bei der Bandprobe aufzutauchen. Bald könnte es soweit sein. Bisher gab es immer zwei Gründe, warum ich wieder und wieder auf meine „Realo“-Amps zurückgreifen musste. Das war einerseits die fehlende Option zwischen verschiedenen Amp-Modellen hin und her zu schalten (mittlerweile ohne Probleme möglich durch MIDI-Integration) und die lästige Latenz einiger Plugins, welche sich in einem befremdlich, künstlich wirkenden Spielgefühl manifestierte. 

Lehle Sunday Driver II SW, Front-Ansicht

Als vor ein paar Tagen eine frische Lieferung an Lehle Produkten bei uns eintraf, schnappte ich mir den Sunday Driver SW II, positioniere ihn unter Verwendung eines Klinkenkabels vor meinem Interface und warf meine Amp-Simulation in Ableton Live 11 an. „Heureka, das war gar keine schlechte Idee.“ Der Sound wird mit dem Aktivieren der kleinen gelben Box auf einen Schlag organischer, wärmer und transparenter. Auch das von mir empfundene „künstliche“ Gefühl lässt nach und es fühlt sich viel mehr nach einer realen Verstärker – Gitarren – Kombination an (natürlich klingt ein Amp im Raum anders, als bereits fertig mikrofoniert und mit Kopfhörern abgehört). Der Sonntagsfahrer schafft es sogar genug Gain aus dem angecrunchten Marshall-Plugin zu holen sodass man bei Betätigung des Fußschalters einen ordentlichen Lead-Sound erhält. So kann man sich ohne Probleme mit dem Volume-Poti oder, in meinem Fall, mit dem Volume-Pedal einen dreikanaligen Amp herzaubern, ohne aufwendiges Midi-Mapping und ohne den Zukauf zusätzlicher Midi-Peripherie.

Lehle Sunday Driver II SW, Seiten-Ansicht

Zum Aufnehmen und Üben Zuhause ist das genial. Und für die meisten Proben sollte es in Zukunft auch ausreichen, mit dem Vorteil schon einen fertig abgemischten Sound für das Monitoring am Start zu haben. Nur für den Live-Einsatz ist es dann vielleicht doch etwas zu unflexibel, vor allem, wenn man dann auch mal ein paar Effekte hinzu schalten möchte. Für alle, die aber bereits ein Lieblings-Plugin besitzen und einfach ein natürlicheres Spielgefühl aus ihrem Equipment holen möchten, kann ich den Lehle Sunday Driver II SW wärmstens empfehlen. Ein kleiner Tipp zum Schluss: Wenn ihr ein Interface besitzt, dass euch das Mischverhältnis zwischen Direkt-Sound (nackte DI-Sound der Gitarre + Preamp) und DAW-Sound (Sound des Plugins + Effekte) regeln lässt, dann mischt dem DAW-Sound eine kleine Prise Direkt-Sound hinzu. In meinen Ohren klingt das dann noch etwas „echter“. Viel Spaß beim ausprobieren.

Euer

Julian