Ich spiele jetzt schon seit 18 Jahren Gitarre (das auch mehr schlecht als recht) und habe in dieser Zeit schon viele Instrumente besessen, studiert und ausprobiert. Aber ich kann mich noch gut daran erinnern als sie eines Tages irgendwie aus dem Nichts auftauchte: Die 7-saitige Gitarre.

Als die Mauer fiel war ich nicht ganz ein Jahr alt. Demnach hatte ich meine Sturm – und Drangphase vor allem zu Beginn der 2000er. Nu-Metal war die Einstiegsdroge für meine Generation in den harten Gitarrensound. Bands wie Korn, Deftones und Linkin Park wurden zu unseren Stones, Led Zeppelin oder Black Sabath. All diese Bands verband ein sehr wuchtiger, grollender bis drückender Gitarrensound, der die düsteren und emotionalen Texte in die Ohrmuscheln einzementierte. Das Geheimnis hinter dem Sound: Tief gestimmte Gitarren.

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Mein damals 14-jähriges Ich, das gerade begonnen hatte Gitarre zu lernen, war so fasziniert von der Musik des Nu-Metal, dass ich unbedingt die damals aktuellen Hits spielen lernen wollte. Mein Gitarrenlehrer war sogar so nett mir die Tabs herauszuhören, stimmte mir die Gitarre auf Drop-D und brachte mir die nötigen Techniken bei. Was aber nach vielen Wochen und Monaten des Übens aus meinen Fingern herauskam, klang bei weitem nicht so dunkel und böse wie der Sound auf der CD. Zudem konnte ich die Songs oft nicht mit den original Tracks mitspielen, da mein Gitarrentuning irgendwie nicht zu den Album-Aufnahmen passte. Also studierte ich die Live-Videos meiner Lieblingsbands und dabei entdeckte ich sie: Eine Ibanez RG 7620, Grey Nickel Finish, in den Händen von Brad Delson, seines Zeichens Gitarrist der damals noch ziemlich jungen Linkin Park. Irgendetwas an dieser Gitarre war anders als an meiner Ibanez SA, die ich damals besaß. Irgendwie wirkte sie größer, hatte einen breiteren Hals und breitere Pickups. Im Standbild zählte ich die Saiten und verstand nicht, warum ich immer wieder auf die Zahl sieben anstelle der Zahl sechs kam. Also unterbreitete ich meine Entdeckung meinem Gitarrenlehrer, der mit einem kleinen Lächeln endlich mit der Wahrheit herausrückte: Es gibt gar nicht nur das E-Standard und Drop-D-tuning. Es gibt theoretisch unendlich viele Tunings und für manche hilft es eine Saite mehr zu besitzen.

Was vor 18 Jahren für mich eine regelrechte Offenbarung war, ist heute nahezu State-Of-The-Art. Die 7-Saiter-Gitarre ist aus den modernen Musik-Genres nicht mehr wegzudenken, egal ob Metal, Fusion, Neo-Soul oder Jazz. Bisweilen manifestierte sich sogar ein eigener Begriff für diesen Gitarrentyp, der von vielen Anhänger bereits religiös behandelt wird: Extended Range Guitars. Dieser umfasst nicht nur 7-saitige Gitarren, sondern beinhaltet auch Gitarren und Bässe mit verlängerter Mensur und Saitenanzahlen über die Zahl sieben hinaus.

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Wer jetzt allerdings der Meinung ist, das Ganze sei nur eine Modeerscheinung und habe mit der traditionellen Gitarrenkultur nicht wirklich etwas gemein, der irrt. Schon vor über 200 Jahren hatten Gitarristen_innen Interesse daran, den tonalen Umfang ihres Instrumentes zu erweitern. So wurden in Europa aus ursprünglich vier Saiten, zuerst fünf und danach sechs. Auch wenn der Standard in der westlichen Welt bis heute bei sechs Saiten liegt, gab es im frühen 18. Jahrhundert Künstler wie Napoleon Coste, die speziell für die 7-saitige Gitarre komponierten. Auch Mario Maccaferri, der unter anderem die Selma-Gitarre (auch später Maccaferri-Gitarre genannt) erfand, spielte und komponierte für die 7-saitige Gitarre. Als dann in den 1930er Jahren Hollowbody-Modelle von Epiphone und Gretsch für den Gitarristen George van Eps angefertigt wurden, erhielt die 7-saitige Gitarre Einzug in den Jazz. Die Möglichkeit durch die zusätzliche B-Saite tiefere Bassläufe zu kreieren, gefiel auch Genre-Ikonen wie Bucky Pizzarelli und Howard Alden.

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Ende der 80er präsentierte die japanische Firma Ibanez die UV7, ein 7-saitiges Signature-Modell für einen der einflussreichsten Gitarristen dieser Zeit: Steve Vai. Inspiriert von klassischen Musikern und Gitarristen des Jazz, wollte auch Herr Vai sein Spiel auf ein neues Level heben und überzeugte seinen langjährigen Endorsing-Partner Ibanez ihm ein 7-saitige Gitarre zu bauen und auch als Serienmodell auf den Markt zu bringen. Das war bisher noch keinem Hersteller vorher gelungen, aber mit einem Zugpferd wie Steve Vai wurden schnell andere Künstler_innen inspiriert von sechs Saiten auf sieben umzusteigen. In den 90ern wurde der Hype um die 7-saitige Gitarre mit weiteren Gitarristen_innen wie John Petrucci fortgeführt. Munky und Head von Korn machten die 7-saitige Gitarre auch für die Nicht-Virtuosen unter uns salonfähig und begründeten zeitgleich mit ihrem Sound das Genre des Nu-Metal aus dem nun tiefer gestimmte Gitarren nicht mehr wegzudenken waren. Andere nennenswerte Gitarrenhelden_innen mit 7-saiten, die man kennen sollte: Sarah Longfield, Stephen Carpenter (Deftones), Jeff Loomis (Arch Enemy), Jason Richardson, sowie Misha Mansoor, Mark Holcomb und Jake Bowen (Periphery). Einige Zeit dominierte Ibanez den Markt für 7-String-Gitarren in den 90ern. Heute gibt es eine Vielzahl an Modellen und Herstellern. Das macht die 7-Saiter-Gitarre so erschwinglich wie nie zuvor. Kein Wunder also, dass viele Kids bei uns im Laden nach 7-Saitern fragen und sicher auch noch in Zukunft Songs für die 7-Saiter entstehen werden.

Nun aber endlich zur Gretchen-Frage: Warum brauche ich eine 7-saitige Gitarre?

Es gibt sicher ein Vielzahl von Gründen, die ich hier an dieser Stelle nicht alle ausführen kann. Die drei wichtigsten jedoch möchte ich euch nicht vorenthalten:

Extended Range

Seit Jahrhunderten streben wir Gitarristen_innen nach mehr tonaler Vielfalt und möchten im Gesamtkontext des bekannten Instrumentariums nicht untergehen. Hierfür verwenden wir mittlerweile Software und Pedale wie Octaver, Pitchshifter, Harmonizer oder Synth-Effekte. Wer keine Lust hat sich mit all diesen Komponenten zu beschäftigen, der ist mit einer 7-Saiter erstmal bestens bedient. Wenn man bereits eine 6-saitige Gitarre gewohnt ist, fällt der Umstieg relativ leicht und man muss keine neuen Kernkompetenzen erlernen, sodass recht schnell ein ganze Palette an neuen Tönen und Chords zur Verfügung steht. Zudem kann man dabei ein Vielzahl an neuen Genres und Musikstilen entdecken.

Neue Härte

Wer richtig harte Riffs mag, wird 7-Saiter-Gitarren lieben. Bei Standard B-Tuning ist bei weitem nicht Schluss. Wir haben bei uns im Laden schon 7-Saitige auf Drop-G oder Drop-F gestimmt. Wer also im Bereich seines Bassisten mitspielen möchte oder extreme Sounds à la Architects oder Meshuggah liebt oder in die Genres Drown und Doom vordringen möchte, der sollte eine 7-Saitige Gitarre mit im Sortiment haben. Wichtiger Tipp: Seid sparsam mit dem Gain. Nur weil ihr durch das Tuning brutaler klingt, müsst ihr nicht auch automatisch den Gain-Regler hochreißen. Das endet sonst nur in einem extremen Brei. Weniger ist hier mehr. Zudem schadet es nicht die Höhen etwas zu pushen. Für modernes Riffing mit Djent-Charakter empfehle ich euch den Einsatz von Coil-Splitting.

Booster für Songwriting

Wer das Vergnügen hatte Songs oder sogar ganze Alben zu komponieren, der hat sicher schon mal eine Situation erlebt in der die kreative Muse auf sich warten ließ. In diesen Zeiten greife ich persönlich immer gerne zu einem anderen Instrument (Stichwort: Komfortzone), weil es mich zwingt in meinem Kopf umzudenken. Wer als Gitarrist keinen zu großen Spagat hinlegen möchte, kann beherzt zur 7-Saiter greifen. Vor allem in Verbindung mit einem Looper lassen sich durch die zusätzlichen tiefen Töne ganz gut Bassläufe abbilden, die man durch Chord-Voicings und Melodien ergänzen kann.

Wer jetzt Blut geleckt hat und sich dem Thema 7-Saiter annähern möchte, dem empfehle ich einfach einen Beratungs-Termin zu vereinbaren. Wir haben aktuell immer eine kleine und feine Auswahl für euch im Laden zum Antesten bereit stehen und können auch kurzfristig für euch Modelle der Hersteller Ibanez, Schecter, ESP/LTD uvm. bestellen. Wir freuen uns auf euren Besuch.

Liebe Grüße


Euer Julian